Der Professor und die Putzfrau
Philip Roth: Der menschliche Makel
Es ist eine seltsame, spröde Liebe, die den Professor und die Putzfrau aus Philip Roths „Der menschliche Makel“ im schamlosen Sex miteinander vereint. Ungehörig, unanständig, unromantisch. Und doch so innig, bedingungslos und kostbar wie kaum je eine Liebe zuvor.
Natürlich, wenn man es genau nimmt, ist „Der menschliche Makel“ gar kein Liebesroman. Philip Roth geht es in erster Linie wohl um etwas Anderes. Mit der Geschichte des Literaturprofessors Coleman Silk nimmt Roth positiven Rassismus, gut gemeinte Vorurteile und eine übertriebene, seelenlose „Political Correctness“ ins Visier. Silk besitzt trotz seiner afroamerikanischen Herkunft einen derart hellen Teint, dass er über viele Jahrzehnte hinweg ein erfolgreiches Leben als Weißer führt, ehe er sich wegen einer missverständlichen Äußerung über zwei schwarze Studenten ausgerechnet dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt sieht.
Vor dem Hintergrund der Sexaffäre um US-Präsident Bill Clinton zeichnet Roth ein kritisches Sittenbild der USA. Dass gut gemeint nicht immer gut gemacht ist, zeigt sich auch an Roths Roman: Vor allem jene Passagen, in denen er die Finger in die amerikanische Wunde legt, um heuchlerische Doppelmoral und den politisch korrekten Rufmord zu entlarven, geraten belehrend, wirken konstruiert, manipulativ. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, kann hinter dem prätentiösen Gerüst aber nicht nur eine große, epische Lebens-, sondern auch eine ganz außergewöhnliche Liebesgeschichte entdecken.
Robert Benton beispielsweise war das in seiner Verfilmung des Romans 2003 gelungen. Einerseits. Stärker in den Mittelpunkt als bei Roth rückte bei ihm die Liebesbeziehung zwischen Coleman Silk und Faunia Farley, der bekennenden Analphabetin. Sie arbeitet als Putzkraft an jener Universität, deren Dekan Silk war, ehe er die zwei dauerabwesenden Studenten (bei denen es sich zufällig um Schwarze handelte) als „spooks“ oder „dunkle Gestalten“ bezeichnete. Dies wiederum führte zu dem Skandal, der Silk schließlich den Job und seiner Frau nach einem Schlaganfall das Leben kostete.
Andererseits: Warum, um Himmels Willen, musste Benton dem Schauspieler Anthony Hopkins (er spielt Silks) ausgerechnet Nicole Kidman an die Seite stellen? Roth beschreibt seine Faunia als „die typische Landbewohnerin“, eine „starke, sehnige, (…) hagere, schlaksige, mit Dreck bespritzte Frau in T-Shirt, kurzen Hosen und Gummistiefeln“. Da kommt einem nicht als erstes die Kidman in den Sinn. Roths Faunia ist gerade nicht zierlich, keine klassisch Schöne. Es sind vielmehr ihr sprödes, raues Wesen und ihre unverblümte Art, die Coleman zugleich faszinieren und irritieren. „Was macht man mit einem Mädchen, das nicht lesen kann? Mit dem Mädchen, (…) dem alles Widerwärtige, das einem passieren kann, passiert ist, dessen Glück keinerlei Anstalten macht, sich zu wenden, und das ihn dennoch begeistert und erregt wie keine andere Frau (…).“
Coleman schläft mit ihr – auch wenn er weiß, dass sich die Leute das Maul darüber zerreißen, und auch noch, nachdem er einen anonymen Brief erhalten hat, in dem steht: „Jeder weiß, dass Sie eine misshandelte, analphabetische Frau, die halb so alt ist wie Sie, sexuell ausbeuten.“ Nein, die Beziehung zwischen Coleman und Faunia ist alles andere als „p.c.“, auch nicht „romantisch“ – in dem makellosen Sinne, wie Hollywood das buchstabiert. Es ist eine ungehörige, anspruchslose, innige Verbindung, die sich nicht einmal darum schert, dem offiziellen Etikett der „Liebe“ gerecht zu werden: „’Das ist mehr als bloß Sex’, hatte er zu ihr gesagt, und sie hatte entschieden widersprochen: ‚Nein, ist es nicht. Du hast bloß vergessen, was Sex eigentlich ist. Das hier ist Sex und nichts anderes. Mach’s nicht kaputt, indem du so tust, als wär’s was anderes.’“ Wer aber zwischen den Zeilen liest, versteht, dass Sex hier bloß ein anderes Wort für wahre Liebe ist.
Philip Roth: Der menschliche Makel. Übersetzt von Dirk van Gunsteren. Rowohlt, 400 Seiten, 9,95 Euro