Über „Die Tribute von Panem“
Den Hörbüchern Tiefe geben
„Die Tribute von Panem“ lassen Maria Koschny nicht los: Erst hatte die Sprecherin die gekürzten Fassungen der Romane aufgenommen, nun synchronisiert sie die Hauptdarstellerin in der Kinoversion – und nimmt die Trilogie nochmals ungekürzt auf …
Frau Koschny, die Jury des Deutschen Hörbuchpreises hat Ihre Stimme als „hart, eher nüchtern“ beschrieben. Komplimente klingen ja eigentlich anders …
(lacht) Ja, das stimmt. Aber genau diese Stimmlage ist für die „Tribute von Panem“ genau angemessen, um die Atmosphäre zu transportieren, die ja nun wirklich alles andere als eine fröhliche Blumenwiese ist. Ich würde meine Stimme aber nicht per se als „hart“ beschreiben, sondern eher nach der jeweiligen Emotion, die ich transportieren möchte. Ich versuche, mich stimmlich den Gegebenheiten anzupassen.
Sie haben Ihre Sprecherausbildung bei Ihrer Mutter absolviert, die ebenfalls Sprecherin, Schauspielerin und Sängerin ist – und sich mit ihr gezielt auf „Die Tribute von Panem“ vorbereitet?
Ja, denn diese Vorbereitung war mir bei diesem Projekt besonders wichtig, außerdem hatte ich bis dahin noch nicht so viele Hörbücher gelesen. Die „Tribute“ waren überdies ein neues Genre für mich, das ich mir auch schauspielerisch erarbeiten wollte. Meine Mutter hat mir gesagt, an welchen Stellen ich atmosphärisch tiefer gehen oder in der wörtlichen Rede schauspielerisch mehr herausholen kann. Es geht ja auch darum, für jede Rolle auch vor dem Mikrofon eine körperliche Haltung zu haben.
Derzeit lesen Sie die ungekürzte Fassung ein. Was ist das für ein Gefühl, nachdem Sie schon die gekürzte Version eingelesen haben?
Ich finde es spannender, weil ich vom ersten Teil nur die gekürzte Version kannte. Und ich entdecke natürlich immer noch mehr Einzelheiten und freue mich tatsächlich immer wieder, wenn ich zu den „alten“ Stellen komme und mich wieder daran erinnern kann. Das hätte ich auch nicht gedacht, da ich das Buch ja mittlerweile zum dritten oder vierten Mal lese.
Ist es Ihnen schwergefallen, sich zu motivieren, die „Tribute von Panem“ noch einmal aufzunehmen, zumal in voller Länge?
Ich muss zugeben, dass sich meine Vorfreude anfangs schon aufgrund des Umfangs in Grenzen hielt. Aber sobald ich mit der Vorbereitung begonnen hatte, war der Spaß auch wieder da – ich sehe es fast als Rückzugsmöglichkeit, das Buch noch einmal durchzuarbeiten. Die Aufnahmen selbst sind natürlich anstrengend, weil ich mehr Stunden im Studio verbringe, und das insgesamt an sechs bis acht Tagen.
Sind die neuen Aufnahmen einfacher für Sie, weil Sie die Vorlage schon kennen?
Zum einen schon, weil ich weiß, an welcher Stelle ich bin. Andererseits ist es auch schwerer, weil meine Ansprüche auch gestiegen sind. Ich bin grundsätzlich nie 1.000-prozentig zufrieden mit meinen fertigen Produktionen. Besonders bei Hörbüchern ist es für mich noch eine Herausforderung, mich während des Lesens selbst einzuschätzen und mich auch ganz entspannt auf alle anderen Personen um mich – also Regie und Ton – zu verlassen. Mein Anspruch ist es, noch mehr aus den Büchern herauszuholen, ihnen noch mehr Tiefe zu verleihen und dadurch die Hörbücher nochmals aufzuwerten.
Fallen Ihnen nun besondere Passagen auf, die in der gekürzten Fassung fehlen und von denen Sie bedauern, dass sie rausgeworfen wurden?
Ja, es war gerade beim ersten Teil interessant, noch weitere Details zu erfahren – wobei das Buch sehr gut gekürzt wurde. Im dritten Teil ist mir das besonders aufgefallen, weil dort z.B. eine Person komplett herausgestrichen wurde. Gefehlt hat sie mir aber noch nicht …
Sie haben in einem Interview mal gesagt, dass Sie gerne Katniss in einer möglichen Kinofassung synchronisieren würden, aber glaubten, dass Sie für die Rolle schon zu alt seien. Tja, nun haben Sie die Rolle dennoch …
Zum Glück ist Jennifer Lawrence, die nun im Kino die Katniss spielt, ja auch schon etwas älter, und ich hatte sie bei „X-Men“ bereits synchronisiert. Sie ist eine tolle Schauspielerin und ich bin froh, dass ich sie jetzt wieder sprechen darf. Ich hätte aber tatsächlich gedacht, dass Katniss jünger besetzt würde. Dass ich aber erst die Hörbücher eingelesen habe und nun die Hauptrolle im Film synchronisiere, weil Jennifer Lawrence die Rolle bekommen hat, ist ein schöner Zufall.
Fühlen Sie mehr Druck beim Synchronisieren der „Tribute“, weil Sie das Buch schon so gut kennen?
Ich freue mich sehr auf das Projekt, habe aber tatsächlich das Gefühl, dass von mir nun deutlich mehr erwartet wird, als wenn ich keine Ahnung vom Buch hätte. Außerdem ist mein eigener Anspruch nun deutlich höher.