Jojo Moyes
Eine Handvoll Glück
Ein ganzes halbes Jahr steht „Ein ganzes halbes Jahr“ nun schon auf der Bestsellerliste auf Platz eins. Es wird wohl das meistverkaufte Buch in Deutschland 2013 werden, dicht gefolgt von „Eine Handvoll Worte“, Jojo Moyes aktuellem Roman. Es sind gefühlvolle Bücher, die zu Tränen rühren.
Liebe Frau Moyes, wie fühlen Sie sich mit über einer Million verkauften Exemplaren von „Ein ganzes halbes Jahr“ allein in Deutschland?
Ich könnte nicht erfreuter sein. Ich habe in den letzten zehn Jahren eine ganze Reihe von Büchern geschrieben, weshalb sich jetzt diese Art von Erfolg sehr besonders anfühlt.
Kam der Erfolg überraschend?
Ich hätte nicht in meinen wildesten Träumen damit gerechnet. Ich weiß, dass meine Verleger darauf gehofft hatten, aber selbst die waren überrascht, wie die deutschen Leser das Buch aufgenommen haben.
Wie war Ihr Werdegang als Schriftstellerin?
In meinen Zwanzigern habe ich in meiner Freizeit angefangen zu schreiben, nur um herauszufinden, ob ich es kann. Jeder glaubt, er könne ein Buch schreiben, aber nicht viele schaffen es bis zu dem Wort „Ende“. Ich habe dann noch eines geschrieben, um zu sehen, ob ich es veröffentlichen kann (konnte ich nicht) und dann noch eines und endlich, bei meinem vierten Versuch, habe ich einen Buchvertrag ergattern können.
Was glauben Sie, lieben die Leser an Ihren Büchern?
Ich weiß es nicht! Aber viele von ihnen schreiben mir, sie würden sich in der Geschichte fühlen, bei den Charakteren. Meine Bücher scheinen also zu berühren, Gefühle zu wecken.
Wo beginnen Ihre Ideen und wie lassen Sie sie wachsen?
Es können viele Dinge sein, aber oft ist es etwas, das ich in der Zeitung lese. Oder ich denke über etwas nach und bekomme es nicht mehr aus dem Kopf. Damit die Worte lebendig werden, muss man über etwas schreiben muss, das einen wirklich beschäftigt.
Gab es in der Vergangenheit Ideen, die Sie nicht weiter verfolgt haben?
Es gibt viele Buchideen, die ich sein lasse. Manchmal beginnt man, etwas mit mehr Tiefe zu planen und stellt fest, dass es als Buch einfach nicht funktioniert. Vielleicht eher als Bühnenstück, Film oder vielleicht sogar als Gedicht. Das passiert dauernd.
Wie können sich die Leser einen normalen Arbeitstag bei Ihnen vorstellen?
Üblicherweise beginne ich mit dem Schreiben gegen sechs Uhr morgens, wenn mein Mann mir Kaffee und meinen Laptop ans Bett bringt. Dann schreibe ich die ersten anderthalb Stunden dort, noch im Halbschlaf. Während die Kinder in der Schule sind, versuche ich, in meinem Büro weiterzuarbeiten. Wenn mein Mann zu Hause arbeiten kann, ist es nicht ungewöhnlich, dass ich zwölf Stunden arbeite, aber an den meisten Tagen kann ich froh sein, wenn ich drei bis vier Stunden Schreib-Zeit habe.
Sie haben drei Kinder. Ist es einfach für Sie, Ihre Arbeit und Ihr Familienleben unter einen Hut zu bekommen?
Niemals! Es ist eine konstante Quelle von Schwierigkeiten, aber vermutlich nicht mehr als für andere auch, die einer Vollzeittätigkeit nachgehen. Der große Vorteil am Schriftstellerleben ist, dass man so viel zu Hause ist – sogar, wenn man mental nicht vorhanden ist, weil ein ganzer Haufen anderer Charaktere in deinem Kopf herumschwatzt. Das Härteste für mich ist, auf Lesereise zu gehen. Ich vermisse meine Familie schrecklich, wenn ich fahre.
Haben Sie Träume für die Zukunft, die Sie jetzt durch Ihren Erfolg verwirklichen können?
Ich wäre sehr glücklich, das weitermachen zu können, was ich jetzt tue. Ich habe neulich realisiert, dass ich im Grunde meinen Lebens-traum verwirklicht habe – auch wenn es sich nicht immer so anfühlt. Also hoffe ich, dass es einfach so weitergeht.
Wie lange schreiben Sie an einem Buch wie „Eine Handvoll Worte“?
Die Arbeit an diesem Buch hat ungefähr 15 Monate gedauert, vielleicht ein klein wenig länger als sonst.
Wie sind Sie zu dieser Erzählstruktur gekommen, in der die Kapitel in den Zeiten und Schauplätzen stark springen, ohne, dass es zunächst eine Orientierung für den Leser gibt. War das nicht auch kompliziert zu schreiben?
Es war sehr kompliziert zu schreiben. Und ich hatte ein bisschen Angst, dass der Leser nicht mit mir mitgeht. Dabei haben mir inzwischen einige gesagt, sie würden das Buch gerade wegen der Struktur mögen – sie hat sie dazu gebracht, sich mehr einlassen zu müssen. Wenn ich auf dieses Buch zurückblicke, dann habe ich ehrlich keine Idee, wie ich es geschafft habe, dass es funktioniert.
Wie können wir uns dann die Arbeit daran vorstellen? Kapitel für Kapitel oder haben Sie die Handlungsstränge einzeln geschrieben und dann alles zusammengemischt?
Ich habe meist sehr komplizierte Pläne überall im Haus. Es gibt eine große Tafel in der Küche, auf welche ich die Handlungsstränge aufmale und eine Menge Notizen kleben überall, während ich versuche, eine funktionierende Struktur für ein Buch zu finden. Aber generell arbeite ich die dann Kapitel für Kapitel ab.
Woher kam die Idee mit der Amnesie? Richtige Amnesie ist ja eher sehr selten, oder nicht?
Ich hatte einmal einen temporären Gedächtnisverlust, nachdem ich vom Pferd gefallen war. Ich erinnere mich an ein Gefühl der Orientierungslosigkeit und daran, keine Ahnung zu haben, was gerade eigentlich passiert ist. Und da dachte ich, diese Situation ist eine interessante Möglichkeit darzustellen, dass viele von uns sich manchmal in ihrem Leben fremd und verloren fühlen. Wie bin ich da hineingekommen? Passe ich da überhaupt hin? Ist mein Leben so, wie es sein sollte? Das alles fragt sich Jennifer. Und ihren Gedächtnisverlust wollte ich mit einer Liebesgeschichte und einem Geheimnis verbinden.
Wo kommen die Briefe zwischen den Kapiteln her?
Ich habe eine Anzeige im Daily Telegraph geschaltet und Menschen gefragt, ob sie mir die Schlussmach-Nachrichten aus ihrer letzten Beziehung schicken würden, egal, ob es sich um eine SMS, Briefe oder E-Mails handelt. Dann habe ich die ausgewählt, die jetzt drin sind. Ich habe jeden Briefeinhaber erwähnt, der das wollte. Einige wollten nicht.
Glauben Sie, dass E-Mails oder Briefe liebevoller sein können? E-Mails sind ja auch unmittelbarer ...
Ich glaube, dass E-Mails gelegentlich sehr liebevoll sein können, aber sie sind zweifellos weniger kraftvoll und weniger romantisch. Es geht nichts darüber, zu wissen, dass sich jemand hinsetzt, Stift und Papier nimmt und sich die Mühe macht, seine Worte dann auch noch abzuschicken.
Und es ist viel einfacher, E-Mails zu schreiben. Unsere Generation scheint es zufrieden zu machen, die Ideen in den Äther zu feuern. Aber ich empfand es als sehr traurig, das Gefühl für Dauer zu verlieren. Alle E-Mails sind vergänglich, sie können nicht aufgehoben und gehalten werden. Ich kenne viele junge Frauen, die noch nie einen gefühlvollen Brief bekommen haben, aber sehr viele E-Mails und Textnachrichten.
Es gibt eine ganze Reihe Themen in „Eine Handvoll Worte“: die Rolle der Frau in den Sechzigern, Treue in der Ehe und nicht zuletzt die Frage, ob es die wahre Liebe gibt. Welches war für Sie am interessantesten?
Ich bin nicht sicher, ob ich eines am liebsten mochte, mich haben alle interessiert. Aber es war das erste Mal, dass ich mir selbst erlaubt habe, ein komplett romantisches Buch zu schreiben. Ich wollte, dass es sich ein bisschen wie ein Schwarz-Weiß-Film anfühlt.
Glauben Sie denn, es gibt einen Seelenverwandten oder Mr. Right für jeden von uns?
Ich glaube, da sind wahrscheinlich mehrere. Mir erscheint es als eine Frage des Timings, ob es klappt. Wir kennen alle eine Beziehung, die vielleicht funktioniert hätte, wenn die zwei Menschen sich in einem anderen Lebensabschnitt begegnet wären. Ebenso ist manchmal eine geglückte Hochzeit eine, wo keine der Parteien jeweils zur gleichen Zeit gehen wollte.
Die unterwürfige Rolle von Jennifer in ihrer Ehe, sehen Sie diese als typisch für Frauen in den Sechzigern oder ist es eher eine Frauenrolle der gehobenen Gesellschaft? Die es auch heute noch gibt?
Es gab diese traditionelle Rolle, die es auch heute noch in einigen Beziehungen gibt. Ich finde, es ist in Ordnung, wenn Paare eine traditionelle Rollenverteilung in ihrer Beziehung haben wollen – solange es ausreichend Respekt für beide Seiten gibt.
Haben Sie in Ihren Jahren als Journalistin ähnliche Erfahrungen gemacht wie Ellie? Sie arbeitet unter großem Druck, das Arbeitsklima ist kalt und sie könnte jederzeit rausgeworfen werden, weil sie eine Krise hat.
Nein, ich war bei den Nachrichten, nicht bei den Features und hatte generell sehr viel Glück mit den Menschen, mit denen ich gearbeitet habe. Aber ich habe ein paar Horrorgeschichten von Freunden gehört! Ich glaube, was ich mit Ellie gemeinsam habe, ist das Gefühl, dass journalistische Arbeit ziemlich allumfassend ist, wenn man es ernst meint. Ich kenne nur sehr wenige erfolgreiche Journalisten, die noch viel Privatleben haben – und eine Menge mit einem desaströsen Liebesleben.
Ein Protagonist ist in den 60ern Journalist. Die Klammer zeigt auch den Unterschied der veränderten Arbeitswelt von Journalisten. Was denken Sie? Hat sich der Journalismus stark verändert? Und ist das ein Problem?
Ich weiß nicht, ob ich das beantworten kann. Aber ich weiß, dass sich in den 13 Jahren, in denen ich nicht mehr als Journalistin tätig bin, diese Arbeit so verändert hat, dass sie nicht mehr wiederzuerkennen ist. Zum Beispiel ist es jetzt ein 24-Stunden-Einsatz und viel härter. Mein Mann ist immer noch in der Zeitungsbranche und er hört nie auf zu arbeiten.
Ihr Liebhaber weiß nicht, was Ellie für ihn empfindet. Ist es ein Dilemma der modernen Frau, dass sie ihre Gefühle nicht mehr zeigen kann, in der Sorge, sie könnte dann nicht unabhängig genug wirken?
Ja, ich denke, dass das auf viele junge Frauen zutrifft. Ich glaube, wir haben eine seltsame Zeit, in der Frauen ermutigt werden, eine von „den Jungs“ zu sein und völlig unabhängig. Aber keine Verletzlichkeit preiszugeben, taugt nicht immer für eine gute Beziehung. Ich bin dankbar, dass ich aus der Partnersuche raus bin. Wie ich von einer Freundin höre, die Single ist, scheint es derzeit ein hartes Pflaster zu sein.
Welches Ihrer Bücher haben Sie am liebsten?
Ich bin recht glücklich mit meinem neuen Buch, das im Juni in Deutschland unter dem Titel „Weit weg und ganz nah“ herauskommt. Aber von meiner Backlist ist mein Lieblingsbuch wahrscheinlich „Silver Bay“ („Dem Himmel so nah“, Page & Turner, 2008), es handelt von einer Gruppe von Walbeobachtern in Australien.
Jojo Moyes: Eine Handvoll Worte. Übersetzt von Marion Balkenhol. Rowohlt, 592 Seiten, 14,99 Euro, als E-Book erhältlich
Hörbuch
Gelesen von Luise Helm. Argon, 471 Minuten/6 CDs, 19,95 Euro