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Spezial: Margarete von Schwarzkopf (mvs) | Fotos: Uwe Tölle

Val McDermid

Von Morden und anderen Verbrechen

Meine erste Begegnung mit Val McDermid fand 2003 in Köln statt. Ein bisschen beklommen ging ich zu meiner Interview-Verabredung mit der schottischen Autorin. Wie kann eine Frau sein, die Romane wie „Ein kalter Strom“, „Ein Ort für die Ewgkeit“ und vor allem „Das Lied der Sirenen“ schreibt?

Da saß sie, die 1955 in Schottland geborene Frau, die sich Charaktere wie Tony Hill und Carol Jordan, Kate Brannigan und Lindsay Gordon ausgedacht hat. Val McDermid thronte eher an dem Tisch in der Bar des Nobel-Hotels. Mit einem Glas Kölsch und einem freundlichen Lächeln. Schnell war meine Furcht, diese energisch wirkende Autorin mit dem weißen Haar und den vergnügten blauen Augen könnte arrogant, missmutig oder unfreundlich sein, wie weggeblasen. Val McDermid ist eine unterhaltsame, humorvolle und selbstironische Person, die gerne das eine oder andere Glas trinkt und sehr anekdotenreich über ihr Leben spricht. Inzwischen haben wir uns häufiger getroffen, vor allem auf Lesereisen. Dann erzählt sie gerne von ihrem inzwischen siebenjährigen Sohn Cameron, von ihrer amerikanischen Lebensgefährtin, mit der sie seit zwei Jahren glücklich verheiratet ist, von ihren Katzen und langen Spaziergängen mit ihrem Hund am Strand an der nordenglischen Küste, wo die in Kirkcaldy im schottischen „Kingdom of Fife“ geborene Val Mcd Dermid – Heimat auch von Ian Banks, Ian Rankin und Craig Russell – heute wohnt.
Von Haus aus ist Val McDermid, die in Oxford Literaturwissenschaften studierte, Journalistin. Das helfe ihr auch heute noch bei der Arbeit an ihrer Romanen: „Ich habe gelernt zu recherchieren, und da ich neugierig bin, will ich auch immer alles genau wissen. Wenn ich ein Buch schreibe, muss auch alles stimmen bzw. eine sichere Basis für meine fiktiven Schilderungen da sein. Dann erkundige ich mich ausführlich über Polizeiarbeit, über jüngste Erkenntnisse in der Forensik, die sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt hat, über medizinische Neuerungen, über Menschen und Orte, über viele Details, die ich vielleicht nicht alle in meinen Büchern brauche, die ich aber in meinem Kopf speichere und auf die ich irgendwann vielleicht doch zurückgreifen kann.“ Sie sei zudem „ein Vampir, der alle Menschen aussaugt, wenn es um deren Erlebnisse und Ereignisse geht. Ich verarbeite vieles, was ich höre, sehe, schmecke und erfahre“. Es sei auch diese Neugier und das Gefühl, nicht immer nur journalistische Schnellschüsse abfeuern zu müssen, gepaart mit ihrer Liebe zum Kriminalroman, die sie zu diesem gerne brachte.

„Das Lied der Sirenen“ war 1995 ihr erster großer Erfolg, weshalb ihr dieses Buch von all ihren inzwischen 23 Romanen noch immer am liebsten sei. Seitdem ist sie immer auf der Suche nach Anregungen für Bücher. Es sind oft ganz bestimmte Eindrücke, die in ihr den Wunsch auslösen, daraus eine Geschichte zu machen. „Ein kalter Strom“, der von einem psychopathischen Mörder erzählt, der auf einem Rheinschlepper von Tatort zu Tatort reist, entstand, weil Val McDermid mehrmals in Köln zu Lesungen gewesen war und Rheinschiffe beobachtete, die gemächlich den Strom hinauf und hinunter fuhren. „Diese Frachtkähne erschienen mir spontan als das ideale Vehikel für einen Mörder. Nie länger an einem Ort, immer mit dem Schiff unterwegs von der Schweiz bis nach Holland, ständig in Bewegung und fast nicht greifbar.“
Selbst wenn beim Planen ihrer Bücher immer erst einmal eine Idee am Anfang steht oder vielmehr ein Bild von einer Situation oder einer Figur, manchmal angeregt durch Zeitungsartikel und Fernsehberichte, so sind für Val die Schauplätze für ihre Plots sehr wichtig. „Deshalb schreibe ich so gerne auch Romane, die nicht in Bradfield oder in schon bekannten Regionen Englands spielen“, erzählt sie. Sie lässt sich oft inspirieren von bestimmten Orten und der damit verbundenen Atmosphäre. „Manchmal weiß ich nicht genau, was zuerst da ist – die Idee für den Plot, der Schauplatz oder die Charaktere. Aber alles geht ohnehin ineinander über, ein Theaterstück würde auch nicht ohne Bühne auskommen. Bestimmte Orte, vor allem Häuser, üben auf mich eine fast unerklärliche Faszination aus.“ Deshalb nimmt sie sich in manchen Romanen viel Muße für die Schilderung von Landschaften oder möglichen Tatorten. Das gilt vor allem für ihre „Stand Alones“, die Romane, in denen sie eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählt, ohne die bekannten Figuren Tony, Carol oder Lindsay. Etwa „Ein Ort für die Ewigkeit“ (von 1999), der 1963 und 1998 in Derbyshire spielt. Dieser Roman über die Bewohner eines Dorfes, die einen verhassten, da bekanntermaßen bösartigen, Mitbürger des Mordes beschuldigen und ihn, obgleich er gerade diese Tat nicht begangen hat, an den Galgen bringen, gilt als einer ihrer besten Romane.


Für sie war dieser Roman damals eine Art gelungenes Experiment. Allerdings veröffentlicht Val McDermid nur jedes zweite oder dritte Jahr einen solchen „Einzelgänger“. Dazwischen setzt sie ihre beliebten Serien fort. „Einerseits ist das Schreiben dieser ‚Stand Alones’ schwieriger, weil ich nicht auf schon vertraute Elemente zurückgreifen kann. Andererseits macht es natürlich viel Spaß, neue Biografien zu erfinden, Personen vorzustellen, die der Leser noch nie getroffen hat und die er nach diesem Buch auch nicht mehr treffen wird. Allerdings gerate ich manchmal in Versuchung, die eine oder andere dieser Figuren noch einmal in einem anderen Buch auftauchen zu lassen. Immerhin hat man ja einige Zeit mit ihnen zusammen gelebt und sich an sie gewöhnt. Aber dann versuche ich doch, sie zu vergessen und neue Figuren zu erfinden. Das heißt aber, dass ich die Handlung konsequent zu einem Ende führen muss.“

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