Berührender Vater-Tochter-Dialog
Maren Aminis Comicdebüt „Ahmadjan und der Wiedehopf“ ist kürzlich beim Carlsen Verlag erschienen. Angesichts des stärker werdenden Rechtsrucks kommt es gerade zur richtigen Zeit. Die Hamburger Illustratorin Maren Amini greift für ihre Graphic Novel aus einer persönlichen und familiären Perspektive Themen wie Ausgrenzung, Angstpolitik und fremdenfeindliche Rhetorik auf und hält diesen menschenfeindlichen Programmen etwas entgegen.
Maren Amini, die als Illustratorin bereits mit Beiträgen für namhafte Publikationen wie DIE ZEIT, SPIEGEL und die Washington Post internationale Anerkennung erlangt hat, widmet sich in ihrem Comicdebüt der bewegenden Migrationsgeschichte ihres Vaters, Ahmadjan Amini. Dieser verließ Afghanistan in den 1970er-Jahren, um in Hamburg als junger Künstler an der Kunstschule Rolf Laute und später an der Hochschule für bildende Künste zu studieren. Sein Weg führte ihn immer wieder zurück nach Afghanistan, wo er gemeinsam mit einem deutschen Hilfsverein den Bau von Häusern und Schulen unterstützte.
Als die Taliban im Jahr 2021 erneut die Macht in Afghanistan übernahmen, beschlossen Maren und ihr Vater, dessen Lebensweg in einer Graphic Novel festzuhalten. „Wir wollten gegen das Gefühl der Ohnmacht ankämpfen und etwas schaffen, das uns Hoffnung gibt. Es ging uns darum, ein Afghanistan in Erinnerung zu rufen, das von gesellschaftlicher und kultureller Vielfalt geprägt war“, erklärt die Künstlerin. „Wir wollten unsere afghanisch-tadschikischen Wurzeln ehren und einen künstlerischen Dialog zwischen uns als Vater und Tochter führen. Gleichzeitig wollten wir nicht schweigend zusehen, wie die Taliban erneut die afghanische Kultur zerstören.“
Aminis einzigartiger Stil – der zwischen abstrahierten Figuren im Stil von Sempé und farbenprächtigen Aquarell-Landschaften wechselt – erzählt die Geschichte eines bewegten Lebens, das zwischen Kunst und Krieg, Heimat und Neuanfang, Flucht und Verantwortung pendelt. „Ahmadjan und der Wiedehopf“ ist mehr als nur eine Familiengeschichte; es ist ein fortlaufender Dialog zwischen Generationen, zwischen deutscher Gegenwart und afghanischem Erbe. Maren Amini integriert dabei die Kunstwerke ihres Vaters in ihre Zeichnungen und setzt sich auf der Suche nach dessen Erinnerungen mit ihrer eigenen Identität auseinander. Auf der Textebene flicht sie zudem Passagen aus der persischen Sage „Die Konferenz der Vögel“ von Fariduddin Attar ein, um ihren eigenen Wurzeln nachzuspüren.
„Ahmadjan und der Wiedehopf“ ist ein Werk, das uns auf mehreren Ebenen berührt und unsere Wahrnehmung sowohl nach innen als auch nach außen schärft. Es lenkt den Blick nach Afghanistan und erinnert daran, dass die Menschen, insbesondere Frauen und Mädchen, weiterhin unter der Herrschaft der Taliban leiden. Gleichzeitig setzt es ein kraftvolles Zeichen gegen Angst und Vorurteile, indem es Migration als Teil einer deutschen Familiengeschichte erzählt. Bereits vor der Veröffentlichung im Oktober 2024 wurde das Buch mit dem Comicbuchpreis der Leibinger-Stiftung ausgezeichnet.
Maren Amini – Ahmadjan und der Wiedehopf
Carlsen, 240 Seiten, 26 Euro