Das Erbe
BILDER UND WELTEN
Informationen: , 24.9 €
Verlag: Carlsen
Rezension
"Kostbares Wasser wegwerfen?" Die alte Dame ist empört. Als der Sicherheitsbeamte am Flughafen Ben Gurion auf den Vorschriften beharrt, trinkt sie die Zwei-Liter-Flasche an der Gepäckkontrolle in einem Zug aus. Die Fluggäste in der Schlange hinter ihr murren und spotten, die Alte schreitet erhobenen Hauptes durch den Metalldetektor. Ihre erwachsene Enkelin, die zuerst rot angelaufen ist, sorgt mit einer kleinen Lüge dafür, dass der schlimmste Spötter ganz sicher seinen Flug verpasst. In der Eingangsszene zu Rutu Modans Roman ist, vielfach gefaltet, seine ganze Geschichte erhalten. Sie handelt von Konflikten und Solidarität zwischen zwei Generationen, die in so radikal verschiedenen Welten aufgewachsen sind, dass sie einander vieles niemals mitteilen werden können. Mika und ihre Großmutter fliegen nach Warschau, in die Stadt, aus der die alte Dame fliehen musste, als Hitler Polen besetzte, im Gepäck einen Brief, der ihre "unverletzlichen Rechte auf ein bestimmtes Erbe" bezeugt, das ihre Eltern der Großmutter hinterlassen haben. Während Mika zusammen mit dem jungen polnischen Fremdenführer und Comiczeichner Tomasz herauszufinden versucht, worum es sich überhaupt handelt, stellt die Großmutter ganz andere Nachforschungen an, von denen Mika nichts bemerken soll. Rutu Modan, 1966 in Tel Aviv geboren, erzählt in diesem teilweise autobiografischen Roman mit klarem Strich zwei Liebesgeschichten und ein halbes Kriminalstück mit komischen Momenten. Dabei beweist sie einen besonderen Blick für die absurden Aspekte unseres Verhältnisses zur Vergangenheit. Da ist der Lehrer, der im Flugzeug zufrieden meint, das Konzentrationslager Majdanek stecke Auschwitz in die Tasche: "Ist viel grausiger." Da ist die Großmutter, die mit einem alten Freund im Fotoplastikon sitzt und anstelle von Fotos des historischen Warschau lieber die Dias von schwedischen Landschaften sehen möchte, die auch in ihrer Jugend dort gezeigt wurden. "Das Erbe" ist zugleich sehr persönlich und universell - bis zu seinem bittersüßen Ende.
(ed)Kurzbeschreibung
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