Sailor Twain oder Die Meerjungfrau im Hudson
BILDER UND WELTEN
Informationen: , 24.99 €
Verlag: Egmont INK
Rezension
Elijah Twain, Kapitän der "Lorelei", die unablässig den Hudson auf- und abfährt, ist ein stiller Mann. Er schreibt heimlich Gedichte. Sein Leben wird vom Ticken der Taschenuhr und von der Liebe zu seiner Frau bestimmt, die er jeden Samstag sieht. Es ist überschattet vom Tod seines Bruders und der Verachtung seines Vaters, der ihn lieber als Soldat gesehen hätte. Er sorgt für Ordnung, während Dieudonné de Lafayette, der Eigentümer des Raddampfers, wahllos eine Frau nach der anderen verführt. Seit dessen Bruder, "ein echter Geschäftsmann", sich über Bord gestürzt hat, trägt der Libertin die Verantwortung, scheint sie aber nicht wahrzunehmen.
Eines Abends jedoch zieht Twain eine verwundete Meerjungfrau aus dem Fluss. Er trägt sie in seine Kabine, er pflegt sie gesund und erzählt ihr Geschichten. Weil er weiß, wie gefährlich ihr Sirenengesang ist, nimmt er ihr das Versprechen ab, nie für ihn zu singen. Trotzdem verfällt er ihr. Und findet heraus, dass Lafayette diese Meerjungfrau jagt wie einst Kapitän Ahab den weißen Wal.
"Im Leben wimmelt es nur so von Meerjungfrauen, finden Sie nicht?", fragt Lafayettes Brieffreund, der Schriftsteller C. G. Beaverton (der später ebenfalls ein aufsehenerregendes Geheimnis offenbart). In Twains Fall scheint die Meerjungfrau für unerfüllte Begierde zu stehen, die vergebliche Sehnsucht nach Sex, Anerkennung, Selbstverwirklichung. Dass die Nixe seiner Frau, einer querschnittsgelähmten Sängerin, ähnelt, ist kein Zufall. Dass ihm berauschende Gedichte gelingen, während alles andere zerfällt, auch nicht. Mark Siegels Lichtregie ist unfehlbar. In seinen dunklen, weichen Kohlezeichnungen verschwimmen die Grenzen zwischen Realität, Mythos und Wahnsinn.
Kurzbeschreibung
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