So laut die Stille
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 19 €
Verlag: edition fünf
Rezension
Obwohl sie kein Opfer war, fühlte sie sich angegriffen und im Innersten erschüttert. Die Französin Laurence Tardieu verarbeitete das Trauma der Attentate auf Charlie Hebdo in ihrem autobiografischen Roman. Suchend spürt sie nach den Worten, die ihre innere Haltlosigkeit zu fassen kriegen, denn es gibt noch einen zweiten Verlust, der sie beschäftigt. Der Verkauf des Hauses ihrer Kindheit steht von außen betrachtet in keinem Verhältnis zu dem kriegsähnlichen Ausnahmezustand, der in diesen Zeiten in den Straßen von Paris herrscht, doch von innen sieht das ganz anders aus. Der doppelte Verlust lässt sich nicht trennen, und so folgt Tardieu beiden Spuren - lässt die sinnlichen Erinnerungen an die Familien-Sommer in Nizza wiederauferstehen und durchstreift den Alltag in Paris, in dem die Menschen keine Worte für den Schrecken haben. Tardieu findet Worte, atemlos beschreibt sie ihre Gefühlswelt, ihre rhythmische Sprache transportiert die starken Emotionen. Sie will Raum schaffen für das Neue. Denn in dieser haltlosen Zeit ist sie schwanger und dadurch umso mehr auf ihren Körper fixiert. Es ist ein existenzieller Schmerz, der durch die Sprache spürbar wird. Worte können nicht heilen, aber sie verbinden uns miteinander. Wir können sie teilen gegen die laute Stille, die dem Schrecken innewohnt.
(ts)