Schwierig ist es, für das Leben dankbar zu sein, wenn es einem nichts bietet: Wenn man es in den 60ern in einem sozialistischen Kinderheim beginnt, immer weitergereicht wird. Toto, Protagonist und eben ein solches Heimkind, freut sich nicht des Lebens, er duldet, wird selbst aber nicht geduldet. Als aussätzige Kreatur wird er behandelt, weil er ein undefinierbares Geschlecht hat. Um die Statistik der Heimleiterin nicht zu gefährden – der Großteil ihrer Zöglinge fasst irgendwie Fuß im Leben – verkauft sie ihn als Knecht in ein Dorf, in dem Elend und Alkohol regieren. Von hier setzt sich Totos Weg fort – in die BRD, in eine rebellische Kommune, ins Männerheim, in eine Bar, wo er mit seiner zu hohen Stimme singt und ausgelacht wird. Bis er seinem Bekannten aus Kindertagen, Kasimir, wieder begegnet.
Sibylle Berg beweist sich in diesem Roman als große Erzählerin, bindet ihre Leser an Toto, führt sie auf eine Zeitreise durch ein vergangenes halbes Jahrhundert. Pointiert arbeitet sie Kapitalismus und Sozialismus auf, macht die 80er, die 90er, die jüngste Vergangenheit lebendig – mit gelungenen, mitunter auch grausamen, Bildern, sodass die 400 Seiten sich wie ein Film im Kopf abspielen.
Toto ist ein Wunder. Ein Waisenkind ohne klares Geschlecht. Zu dick, zu groß, im Suff gezeugt. Der Vater schon vor der Geburt abgehauen, die Mutter bald danach. Und doch bleibt Toto wie unberührt. Im kalten Sommer 1966 geboren, wandelt er durch die DDR, als ob es alles noch gäbe: Güte, Unschuld, Liebe. Warum, fragt er sich, machen die Menschen dieses Leben noch schrecklicher, als es schon ist? Toto geht in den Westen, wo der Kapitalismus zerstört, was der Sozialismus verrotten ließ. Nur zwei Dinge machen ihm Hoffnung - das Wiedersehen mit Kasimir und sein einziges Talent: das Singen. Es führt Toto bis nach Paris. Ein wütender, schriller Roman einer großen Autorin über das Einzige im Leben, was zählt.
„Sibylle Berg scheidet Gut und Böse, kurz vor dem jüngsten kapitalistischen Gericht. Das ist kein Roman, das ist ein Manifest.“ Jan Küveler, Die Welt, 28.07.12
„Ein Wunderwerk aus klugen Exkursen und brillanten Bonmots.“ Wolfgang Höbel, Der Spiegel, Heft 31/12
"Eine Ode an die Individualität..." Stern, 27.07.12
"Sibylle Berg schafft mit ihrem Protagonisten Toto eine der ungewöhnlichsten und berührendsten Gestalten der Gegenwartsliteratur." Rainer Moritz, Deutschlandradio, 07.08.12
„Sibylle Berg hat das ,Pfui Welt' von Busspredigern wie Abraham de Sancta Clara ... aber auch den vorgeblichen Zynismus eines Voltaire. ... Sie hat diese Haltung in die Gegenwart gebeamt und mit dem Grundrauschen unserer Tage verbunden - medialem, modischem, pseudowissenschaftlichen Gerede. ... Das Ergebnis ist ziemlich speziell und einzigartig.“ Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 30.07.12