Rezension
Wenn zwei sehr unterschiedliche französische Zeichner sich in Montréal ein Atelier teilen, der eine einen Entwurf für einen Comic über eine Witwe in einem Bar-Tabac in der Provinz Quebecs in der Schublade und der andere noch etwas Jägermeister übrig hat, dann kann es sein, dass sie eine Welt erschaffen. „Das Nest“ ist die Geschichte des Dorfes Notre Dame des Lac. Sie beginnt Anfang der 1920er-Jahre, und auf der dritten Seite stirbt der Erzähler. Felix Ducharme, der Besitzer des Dorfladens, ist nicht der einzige Verlust, den die Gemeinde in diesem Winter verkraften muss: Auch der Pfarrer und der Arzt sind unlängst verstorben. Ihr Fehlen wird zum Katalysator des Wandels. Marie, Felix’ Witwe, übernimmt den Laden und mit ihm das einzige Telefon und den einzigen Lastwagen des Dorfes. Serge, ein weltgewandter Tierarzt, strandet nach einem Motorradunfall in Notre Dame des Lac und sorgt mit seiner Vorliebe für Romane und feine Küche für Aufruhr. Die alten Damen des Ortes finden seine Allianz mit Marie skandalös, aber der neue, junge Pfarrer, der an seinem Glauben zweifelt, aber seine Aufgabe sehr ernst nimmt, verurteilt ihre Freundschaft nicht. (Nur Marie weiß, dass Serge schwul ist.) Tripp und Loisel bevölkern ihre kleine Welt mit komplexen, liebenswerten Charakteren, die ihren Weg in eine neue Zeit ertasten. Die Serie umfasst neun Alben, die Carlsen nun in drei Sammelbänden wieder auflegt.
(ed)